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AutorenbildZeev Rosenberg

Netzwerke:, zwischen Ressource und Illusion - Ein Aufruf zu ehrlichem Netzwerkdenken



Immer wieder zeigt sich, dass Netzwerke in schwierigen Zeiten nicht immer die erhoffte Unterstützung bieten. Gerade dann, wenn Hilfe dringend benötigt wird, bleiben viele Verbindungen inaktiv. Oft entsteht der Eindruck, dass Netzwerke vor allem dann funktionieren, wenn der Austausch für beide Seiten vorteilhaft ist. In einer karriereorientierten Welt stehen Beziehungen oft im Zeichen des persönlichen Nutzens und verlieren an Bedeutung, sobald dieser nicht mehr offensichtlich ist.


In den letzten Monaten habe ich aber auch viele schöne Momente in meinem Netzwerk erlebt. Gerade von Menschen, mit denen ich weniger regelmäßigen Kontakt habe, kam oft unerwartete Unterstützung, die mich sehr ermutigt hat. Solche Erlebnisse zeigen, dass Netzwerke nicht nur Zweckgemeinschaften sein müssen, sondern echte Solidarität und Nähe schaffen können. Natürlich gab es auch Enttäuschungen. Einige Kontakte, von denen ich mir mehr Unterstützung erhofft hatte, blieben passiv. Das hat mich dazu veranlasst, Konsequenzen zu ziehen und meine Netzwerkbeziehungen neu zu bewerten.

Die ursprüngliche Idee von Netzwerken, ob unter Kolleg*innen, in Vereinen oder Verbänden, war ein gegenseitiges Auffangnetz für schwierige Zeiten.


In einer Gesellschaft, die zunehmend von Individualismus geprägt ist, gerät dieser Gedanke jedoch oft in den Hintergrund. Statt Solidarität und gegenseitiger Unterstützung stehen heute der persönliche Vorteil und die Selbstverwirklichung im Vordergrund.

Der Widerspruch zwischen dem Ideal von Netzwerken und der Realität zeigt, dass viele Beziehungen oberflächlich bleiben, wenn kein unmittelbarer Nutzen erkennbar ist. Netzwerke werden häufig zu Ressourcenpools, die bei Bedarf angezapft werden, anstatt langfristige Bindungen zu fördern. Es stellt sich die Frage, wie dieser Trend umgekehrt werden kann, um Netzwerke wieder auf Respekt und echtem Engagement aufzubauen.


Ein Ansatz könnte darin bestehen, Netzwerken eine neue, bewusstere Bedeutung zu geben. Statt sich auf kurzfristige Vorteile zu konzentrieren, könnten Netzwerke Räume für echte menschliche Nähe schaffen. Der Gedanke aus der jüdischen Mischna des Sanhedrin - „Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“ - könnte hier als Leitmotiv dienen. Auch kleine Gesten können große Wirkung entfalten und zeigen, dass Solidarität weit über den rein pragmatischen Nutzen hinausgeht.


Dieser Text möchte dazu anregen, die eigene Einstellung zu Netzwerken zu überdenken. Netzwerke haben das Potenzial, über Zweckgemeinschaften hinauszugehen und eine Basis für gegenseitige Unterstützung und Vertrauen zu schaffen. Vielleicht ist es an der Zeit, neue Standards zu setzen - Standards, die auf langfristigem Engagement, Respekt und gegenseitiger Unterstützung basieren.


Oft sind es kleine Gesten, die den Unterschied ausmachen. Statt auf andere zu warten, könnte der erste Schritt sein, selbst aktiv zu werden: eine Nachricht schreiben, einen Anruf tätigen oder einfach zeigen, dass man an jemanden denkt. Gerade in einer Zeit, in der berufliche Interessen viele Kontakte prägen, können solche Gesten ein Weg zu authentischen und dauerhaften Verbindungen sein.


Netzwerke können weit mehr sein als Zweckgemeinschaften. Sie haben das Potenzial, Räume echter Verbundenheit und Unterstützung zu schaffen, wenn sie bewusst und nachhaltig gestaltet werden. Die Herausforderung besteht darin, das „Ich“ zugunsten eines stärkeren „Wir“ in den Hintergrund zu stellen.


Qualität vor Quantität: Ein Netzwerk, das auf Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung basiert, bietet langfristig mehr als eine bloße Ansammlung von Kontakten. Netzwerke, die auf Respekt und moralischer Verantwortung beruhen, können gerade in Krisenzeiten eine wertvolle Stütze sein und die Basis für eine solidarische Gesellschaft bilden.


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